Ein Geburtstag, den Marie nicht so schnell vergessen würde ...
Sie schlug die Augen auf. Nun war er also da, der lang gefürchtete Tag, ihr 40. Geburtstag … Und wie sich in den letzten Jahren abzeichnete, war dies ein Tag, der ihr wieder einmal schmerzlich bewusst machte, dass viele ihrer großen Lebensträume nicht Erfüllung gegan-gen waren: Kein Ehemann, keine Kinder, kein eigenes Haus, keine beruflich gesicherte Existenz. Stattdessen eine triste, aber unter den Umständen bestmöglich eingerichtete, Zwei-Zimmer-Altbauwohnung in einem Vorort Hamburgs. Der Wasserhahn tropfte, die Badewanne war klein, aber immerhin hatte sie eine, und sie hatte außerdem meistens ihre Ruhe in der Wohnung.
Seufzend glitt sie aus dem noch warmen Bett, zog die Vorhänge auf, um die zarte Sonne des März-Frühlingstags hereinzulassen. Auf dem Weg zur Küche streifte ihr Sissy, stolze Königin und grau-getigerte Katzendame, hungrig und erwartungsvoll um die Beine.
Was ihr selbst wohl der Tag bringen würde? Ihre Kollegen in einem Hamburger Bildungs-zentrum, wo sie als Aushilfslehrerin für Englisch arbeitete, wussten von ihrem Geburtstag, den obligatorischen Kuchen, diesmal Käsekuchen mit Kirschen, hatte sie bereits vorbereitet, um ihn um 08.30 Uhr mit auf die Arbeit zu nehmen.
Für heute Abend hatte sie sich extra keine Gäste geladen, denn ihr war nicht nach Feiern zumute, wo doch der Übergang von der 3 zur 4 bei der Zahl ihrer Geburtstage sie schmerz-lich an die nicht in Erfüllung gegangenen Träume erinnerte. Jetzt bloß keine Trübsal blasen! Und erst einmal bei einem guten italienischen Kaffee den Blick auf den Park genießen, von ihrem Balkon aus, hoch über den Dächern Hamburgs. Für heute Abend hatte sie sich vor-genommen, entweder ad hoc ins Theater zu gehen oder sich in einem der zahlreichen Programmkinos einen rührseligen Film anzuschauen, danach noch in einer ihrer Lieb-lingskneipen einen Cocktail zu trinken und dann möglichst geräuschlos diesen Tag vorü-bergehen zu lassen wie jeden anderen Tag. War doch egal, dass das ihr 40. Geburtstag war! Es gab ja auch noch ein Leben danach, und warum sollte das nicht besser werden als die letzten schwierigen Jahre?
Im Büro angekommen, drapierte sie den Kuchen in der Mitarbeiterküche ansehnlich auf einer Kuchenplatte, schnitt die Stücke zurecht, stellte das Geschirr für die Kollegen bereit und bereitete sich innerlich darauf vor, verschiedenartige Geburtstagswünsche zu erhalten. Zum Glück hielten sich dumme Kommentare in Grenzen, und ihr Arbeitstag und die zumeist arbeitswilligen Schüler, waren ansonsten auch erträglich. Nachdem Marie ihren Arbeitstag beendete hatte, machte sie sich eilig auf den Weg zu ihrer Wohnung. Jetzt nur noch schnell eine passende Robe wählen, sich umziehen, und dann dem Umstand und der Tristesse des 40. Geburtstages die Stirn bieten und sich ablenken!
Als sie ihre Tür aufschloss, befand sich ihre Freundin Jeanette im Korridor. Mit einem schnel-len Blick in die Küche sah sie, dass dort diverse Salate, Kuchen und Getränke auf dem Küchentisch standen. Gerade als sie anhob, etwas zu sagen, schmetterte ihre Freundin ihr zu: „Überraschung!!! Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, meine Liebe! Mit einem gefüllten Sektglas in der Hand, kam sie auf sie zu und umarmte sie herzlich. Sie dirigierte sie ins Wohnzimmer, wo sich, nun wirklich zu ihrer Überraschung, ein Teil ihres Freundeskreises versammelt hatte und jetzt, ebenfalls mit Sektgläsern bewaffnet, ein fröhliches „Happy Birthday“ anstimmte.
Ehe sie sich versah, ließ sich Marie in die Feierlaune mit hineinnehmen und feierte fröhlich, und ohne groß an ihre bisher noch nicht erfüllten Lebensträume zu denken, ein ausge-lassenes Fest mit ihren Freunden. Die Überraschung war ihnen wirklich gelungen!
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